Die Herzen öffnen

Unterwegs mit der Bahn. Berlin und dann Osnabrück. Ich war noch nie in Osnabrück. Eine Stadt mit rund 160.000 Einwohnern, einer Uni und einem bedeutenden Eintrag in den Geschichtsbüchern. Hier tagte der längste Kongress, der jemals in Deutschland stattgefunden hat: 1400 Tage lang wurde hier über den Frieden gesprochen, um eine europäische Katastrophe zu beenden: den 30-jährigen Krieg, in dem zwischen 4,5 und 8 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Die Unterzeichnung des Westfälischen Friedens dann 1648, also vor 375 Jahren, hat Europa entscheidend verändert und den Grundstein gelegt für eine neue Ära des Völkerrechts und der internationalen Diplomatie. 

Ein anderer Krieg ist allerdings entscheidend dafür, dass ich zum ersten Mal nach Osnabrück reise. Oder vielmehr sind es die Folgen dieses Krieg: 1967 haben engagierte Bürger hier den Kindern helfen wollen, die im Vietnamkrieg schwer verletzt wurden. Daraus entstand eine wichtige Hilfsorganisation, die unabhängig von Regierungen, Wirtschaft, Religionsgemeinschaften und Parteien weltweit und in Deutschland 368 Projekte für ausgebeutete und benachteiligte Kinder fördert. In Deutschland engagieren sich Freiwillige in 120 Orten mit terre des hommes ehrenamtlich für Kinder in Not. Und ich auch gewissermaßen. Als Botschafter. 

Warum? 

Weil ich bei Terre des Hommes gleich an zwei wichtigen Stellen andocken kann: Kinder und Klima. 

Im Auftrag von TdH steht: “Jedes Kind zählt! Gemeinsam mit Kindern setzen wir ihre Rechte weltweit durch. Klimawandel, Kinderarbeit, Krieg und Vertreibung - wir machen Kinder und Jugendliche stark und stoßen mit ihnen zusammen lokal und global Veränderungen an.” 

Das hat mich überzeugt und es passt zu dem, was mich in den vergangenen vier Jahren beruflich aber auch familiär besonders beschäftigt hat. Die Klimakrise und ihre Auswirkungen auf das Leben unserer Kinder. Sie verschärft die Lebensbedingungen, gefährdet Gesundheit und Bildung von Millionen Kindern - schon jetzt. Das zeigt nicht zuletzt der Klima-Risiko-Index von UNICEF. Gut, da liegt Deutschland auf Platz 142 von 163 analysierten Ländern, also alles halb so schlimm? So zu denken wäre zutiefst zynisch und verantwortungslos. 

Weltweit leben etwa eine Milliarde Kinder, also eintausendmillionen!, und damit fast die Hälfte aller Mädchen und Jungen weltweit, in einem der 33 Länder, die als extrem stark gefährdet gelten. Sie sind für nur 9 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Oder andersherum: Deutschland und neun andere Länder mit den höchsten Emissionen verursachen fast 70 Prozent der weltweiten Emissionen. 

Daraus ergibt sich also eine gewisse Verantwortung. Denn die Klimakrise ist absurd ungerecht. Nicht nur regional. Kinder sind nicht verantwortlich für den Anstieg der globalen Temperaturen, zahlen aber den höchsten Preis dafür, beklagt UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore völlig zurecht. 

„Aber es ist noch Zeit zu handeln. Wenn wir den Zugang von Kindern zur Grundversorgung verbessern, beispielsweise zu Wasser und sanitären Einrichtungen, zur Gesundheitsversorgung und Bildung, kann sich auch ihre Fähigkeit, Klimagefahren zu überleben, erheblich verbessern. UNICEF fordert Regierungen und Unternehmen nachdrücklich dazu auf, Kindern zuzuhören und Maßnahmen zu priorisieren, die Kinder vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen, und gleichzeitig die Anstrengungen zur drastischen Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen zu beschleunigen.“ UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore

Klimakrise. Wüstenbildung. Überschwemmungen. Meeresspiegelanstieg. Armut. Perspektivlosigkeit. Das alles sind Nomen. Sie stehen für große Probleme unserer Zeit. Es liegt an uns, die Verben hinzuzufügen. 

Wir müssen hinsehen, unsere Herzen öffnen, handeln, wo wir es können, helfen, unterstützen. Die eigene Verantwortung anerkennen.  Das alles macht Terre des Hommes und unterstützt Kinder und Jugendliche. Etwa beim General Comment Nr. 26,  einer Leitlinie zur Verankerung des Rechts auf eine gesunde Umwelt bei den Vereinten Nationen.

Maik Meuser