Die unerträgliche Gleichzeitigkeit von Freud und Leid

Schon der Sonntag war geprägt vom Grauen in Afghanistan. Und gleichzeitig vom Sonnenschein auf der Haut, dem Radfahren mit der Familie und dem Kinderlachen.

Heute Morgen, fahre ich in den Sender und freue mich auf ein Gespräch mit Lothar Keller, dem Redaktionsleiter unseres neuen Nachrichten Magazin RTL Direkt. Das feiert heute Abend, 22:15 Uhr, nämlich Premiere! Und trotzdem frage ich mich: Ist es wirklich ein guter Tag?

Ich wünsche Lothar und Jan Hofer und dem ganzen Team sehr, dass es ein guter Tag wird. Für sie. Und gleichzeitig ist es ein schrecklicher, völlig deprimierender Tag wenn man nach Kabul schaut. Oder nach ganz Afghanistan. Wie müssen sich Menschen fühlen, die auf Demokratie gesetzt haben, auf Freiheitsrechte, auf Gleichberechtigung - auf uns, den Westen? Was muss ein 16-jähriges Mädchen denken in diesem Moment? Wie groß sind Angst und Verzweiflung bei den Menschen, die sich vielleicht für eine moderneres Afghanistan engagiert haben, in einem Land, in dem das auch schon gefährlich werden konnte, bevor die westlichen Truppen abgezogen sind.

Vor einer Woche, habe ich mit einem dieser Menschen dort gesprochen. In einem gefühlt viel zu kurzen Interview. Es hat mich frustriert zurückgelassen. Der Moment, an dem er sagte, dass sie jetzt nur noch darauf warten, dass sich jemand Zutritt verschafft und sich dort in die Luft sprengt war schrecklich. Er fühlt sich verlassen und im Stich gelassen von den Deutschen, für die er jahrelang gearbeitet hat.

Heute morgen schickt er eine neue Botschaft: “Ich versuche seit Wochen Kontakt aufzunehmen mit der deutschen Botschaft und dem Auswärtigen Amt. Bis jetzt hat sich niemand gemeldet.”

Wenige Stunden nach dieser Nachricht kommen Bilder vom Flughafen in Kabul. Tausend versuchen noch einen Platz zu bekommen. Rausgeflogen zu werden. Dem Tod zu entfliehen. Schüsse fallen. Horror.

Und gleichzeitig begann dieser Morgen für mich persönlich so schön. Die aufgeregte kleine Tochter, die sich riesig freut, deren Augen strahlen, weil sie nach Wochen wieder in die Kita gehen kann. Und die sich im Auto auf dem Weg dorthin ein Lied wünscht. Und dann singen Max Rabe und sie gemeinsam: “Heute ist ein guter Tag um glücklich zu sein.” Und ich bekomme eine Gänsehaut. Heute wird einer dieser ganz schwierigen Tage.

Maik Meuser