Infekt zum Fest?

Gestern war Nikolaus. Für die Kinder das „kleine Weihnachtsfest“. Und zum ersten Mal kam er bei uns nicht persönlich, um die Beutel mit den Geschenken zu übergeben. Der Große musste also den beiden Kleinen nicht auf die Nase binden, wen er unter dem weißen Bart vermutete. Und die Kleine musste sich nicht fürchtfreuen. Ich aber war enttäuscht. Kein Lob aus dem dicken Buch des alten Mannes für die Kinder, keine Ermahnung an die Eltern. Kein ungläubiges Staunen in den Augen der Kleinen. Nix. Stattdessen standen die Geschenk-Säckchen morgens vor der Tür. Noch so ein Moment in diesem Corona-Jahr, wo der Virus uns in die Suppe spuckt. Und wer weiß, was da noch kommt mit Blick auf das „große Weihnachtsfest“. Wie soll man das organisieren in diesem Jahr. Per Videokonferenz? Mit Schnelltest und FFP-2-Maske, ohne Umarmung? Im Schneeanzug und die Gartenstühle wieder rausgeholt? Ich bin ehrlich gesagt relativ ratlos. Und damit bin ich sicherlich nicht allein.

Wie auch immer wir uns dieses Jahr aufstellen, es wird ein anderes Fest. Kleiner, stiller. Nicht so unbeschwert. Neben der Freude über die Freude der Kinder und die Begegnungen mit Mama, Papa und Geschwistern wird noch jemand sitzen: die Sorge. Hoffentlich feiern wir ohne den Erreger. Hoffentlich bleiben wir alle gesund. Hoffentlich war das hier eine gute Idee. Hoffentlich…

Andererseits muss man Weihnachten schon wegen der Kinder stattfinden lassen, natürlich unter Berücksichtigung aller möglichen Vorsichtsmaßnahmen. Weil die Kinder in diesen neun Monaten schon so viel erdulden mussten. Weniger Kontakte zu anderen Kindern, weniger Kontakte zu Oma und Opa. Wir haben es nie offen gesagt, sagen müssen, es war immer nur Corona schuld. Aber die Gefahr ist natürlich da, dass sich Kinder irgendwann auch als Gefahr für Ihr Umfeld, zumindest aber für ihre Großeltern verstehen. Und was das in einem Kinderkopf auslöst, kann ich mir nur schwer vorstellen. Heiner Fangerau und Maria Griemmert haben dazu einen interessanten Essay in der FAZ geschrieben. Ihnen geht es auch darum, dass eine auf die Kernfamilie begrenzte Eltern-Kind-Beziehung zu einer Überlastung führen kann, organisatorisch aber auch emotional. Und das Kinder Oma&Opa brauchen, weil Mama&Papa allein nicht ausreichen für eine gesunde emotionale Entwicklung.

Was machen wir also draus? Mir würden ja in diesem Jahr tatsächlich zwei Tage Familienfeier reichen. Bei den Schwiegereltern und Zuhause bei meinen Eltern. Danach könnte ich gut damit leben, dass alle wieder heimfahren und die Kontaktbeschränkungen wieder verschärft werden. Silvester und Neujahr auch in die Lockerungen mit reinzunehmen – das habe schon letzte Woche nicht verstanden. Das damit gesendete Zeichen war falsch. Bayerns Ministerpräsident Söder korrigiert das gerade. Sonst muss man hoffen, dass die Menschen vorsichtig bleiben. Dass sie nicht nur an sich denken, sondern solidarisch sind. Die Maske trägt man nicht nur für sich. Aber der Blick in die USA, wo nach dem traditionellen Familienfest Thanksgiving die Zahlen fünf Tage später wieder rasant angestiegen sind, lässt leider Böses ahnen. Oder wie Christopher Lauer auf Twitter schreibt: „Wir kriegen in Deutschland Weihnachten/Silvester-Katapult: An Weihnachten schön in der Familie infizieren, dann an Silvester, wenn man grad selbst infektiös wird, noch die Freunde/Bekannten anstecken, die es Weihnachten noch nicht erwischt hat. Katastrophe mit Ansage.“

Bitte nicht.

Maik Meuser